Angebot und Vertrag beim Softwarekauf
- Angebot/ Proposal
- Vertrag (Lizenz, Consulting, Support)
- Softwarekauf = Auto- oder Hauskauf?
*************************************************************************************** >>>Dieser Beitrag wurde am 29. August 2013 überarbeitet<<<
Der Präsentations Marathon ist überstanden. Manche Kollegen sind glücklich, die anderen frustriert.
Nach einigen Rückfragen und Rückversicherungen hast Du endlich ein auf Deine belange ausgerichtetes Angebot (Proposal) bekommen. Von wem eigentlich?
Hast Du Dich für den Gewinner entschieden oder hast Du auch den Zweitplazierten einbezogen?
Ich empfehle Dir, in dieser Phase auf jeden Fall mindestens immer eine Option in der Hinterhand zu haben. Manche Anbieter treten sehr aggressiv am Markt auf, so dass ein ‚Overselling‘ nicht ausgeschlossen werden kann. Ich habe es oft erlebt, dass ein bereits verlorener Lead wieder aktiv wurde, nachdem der Mitbewerber nicht das halten konnte, was er versprochen hatte.
Ich geh mal davon aus, Du hast Dich für eine Software-Suite entschieden. Die Preise sind natürlich abhängig von den Lizenzen und den von Dir benötigten Funktionen. Eins ist aber klar, unter 75.000 EUR (sehr konservativ) plus Consulting und Support wirst Du wahrscheinlich nicht davon kommen.
Genau hier liegt aber auch das hausgemachte Problem. Viele Kunden glauben immer noch, ein auf ihre Belange ausgerichtetes Produkt in einem Nischenmarkt, für einen ‚Apfel und ein Ei‘ kaufen zu können. Im internationalen Vergleich zeigt sich der Deutsche in dieser Disziplin als Vorreiter.
Du solltest davon ausgehen, dass eine Software-Suite für mehrere Assetklassen in einem solchen Nischenmarkt eigentlich nur international erfolgreich vertrieben werden kann. Nach meiner Schätzung liegt der Entwicklungsaufwand bei rund 25 – 30 Mio. EUR.
Angebot/ Proposal
Der Angebotsprozess ist von Anbieter zu Anbieter, insbesondere auch im Hinblick auf länderspezifische Gepflogenheiten, sehr unterschiedlich. Nehmen wir an, Du erhälst zunächst ein Proposal, welches Dir erlaubt aus einer Kollektion von Modulen und einem optionalen Preismodell, Deine favorisierte Lösung auszusuchen. Der Anbieter macht jetzt Druck. Er will endlich abschließen, den er hat bereits viel Zeit in Dich investiert. Dein pro aktives Vorgehen hat einige Ressourcen bei ihm gebunden.
Ich halte es für fair schnell und zügig eine Entscheidung zu treffen. Anderseits ist es so, wer Druck hat macht Fehler und Fehler können teuer werden.
Bevor Du jetzt in die Vertragsprüfung gehst, solltest Du Dir auf jeden Fall nochmal bestätigen lassen, welche Funktionen die von Dir favorisierte Lösung letztlich noch enthält. Außerdem solltest Du auch explizit auf die negativ Auslese bestehen, indem Du Dir explizit aufführen lässt, was nicht mehr enthalten sein wird.
Vertrag
Ist endlich geklärt, was eigentlich konkret der Vertragsbestandteil sein soll, dann kannst Du Dich mit dem Vertragsinhalt beschäftigen. Üblicherweise wirst Du nicht nur einen Vertrag, sondern gleich mehrere bekommen.
In der Regel splittet man die Verträge nach:
Lizenzen, Modulen, Services/ Consulting und Maintenance/ Support. Das Ganze wird dann ergänzt um weitere Dokumente, die während des Vertriebsprozesses als Vertragsbestandteil identifiziert wurden. Das gegengezeichnete Protokoll aus der Präsentation wäre ein mögliches Dokument (s. Teil 3 des Beitrags). Manche Anbieter bieten Ihre Leistungen auch als Software as a Service (SaaS) an.
Viele ausländische Anbieter sind immer wieder erstaunt, wie akribisch sich der Deutsche mit dem trockenen Buchstabenwerk auseinandersetzen kann. Es verwundert Ihn danach umso mehr, dass das Werk nach Unterzeichnung kaum noch eine Rolle spielt.
Was ist wichtig im Vertrag?
Im Vertrag ist alles wichtig! Dennoch möchte ich hier spezielle Bereiche herausgreifen.
Für den deutschen Kunden steht an oberster Stelle natürlich der Preis, gefolgt von der Haftung, der Möglichkeit des Rücktritts und der Kündigung und auf keinen Fall zu vergessen, der Datenschutz. Bei Verhandlungen mit ausländischen Anbietern sollte man sich auch sehr gut überlegen, inwiefern man fremdsprachige Verträge akzeptieren sollte.
Lizenzvertrag
Der Lizenzvertrag regelt die Dauer un den Nutzungsumfang der zu erwerbenden Lizenzen.
Preis
Der Preis setzt sich zusammen aus der Anzahl der Lizenzen. Dies können Nutzerlizenzen, Modul oder Serverlizenzen sein. Die Lizenzen können unbefristet oder laufzeitabhängig sein. Es gibt hier einige Optionen. Solltest Du die Software stufenweise Einführungen, frag bitte nach dem Preis für die Folgelizenzen und die Möglichkeit des Erwerbs einer Unternehmenslizenz. Das kann Sinn machen, wenn Du 45 Lizenzen benötigst und es die Unternehmenslizenz schon ab 50 Usern gibt.
Ist der Preis gerechtfertigt? Das kann ich Dir nicht beantworten. Ich denke es gibt immer Spielräume. Dieser Teil gehört natürlich auch zu meinem Beratungsangebot. Vielleicht kannst Du mein Honorar schon mit der erreichten Vergünstigung bezahlen ;-)) .
Haftung/ Rücktritt/ Kündigung/ Datenschutz
Ich mache keine Rechtsberatung. Ist man unsicher, was die Vertragsgestaltung betrifft sollte man immer eine Rechtsberatung einbeziehen. Dies gilt insbesondere bei den Summen, die bei solchen Lizenzverträgen im Spiel sind.
Supportvertrag
Mit dem Supportvertrag ist es, wie mit einer Versicherung. Man ärgert sich immer, wenn man die Beiträge bezahlt und nichts passiert. Gleichzeitig sollte man aber froh sein, dass nichts passiert ist. Der Supportvertrag umschließt meist Updates und eine Hotline.
Du solltest im Vorfeld die SLA’s des Anbieters prüfen. Welche Servicezeiten garantiert er Dir. Es gibt hier am Markt eingeführte Stufen. In der Regel werden Dir auch keine Zeiten für die Behebung garantiert, sondern reine Reaktionszeiten. Bei Anbietern, die weiter weg von Deinem Standort sind, solltest Du auf jeden Fall auch die Reisekosten regeln. Nicht das nachher der Spezialist aus USA per Business Class auf Deine Kosten einfliegt. Wer trägt eigentlich die Kosten für die Implementierung der Updates? Im Zweifelsfall Du, also vorher bitte klären.
Beachte bitte auch den Unterschied zwischen Update und Upgrade. Updates sind meist unterjährige Releases, welche keine Veränderung der Hauptversionsnummer veranlassen. Von Upgrades redet man bei wesentlichen Änderungen, die dann auch eine Änderung der Hauptversionsnummer oder der gesamten Produktbezeichnung zum Gegenstand haben.
Sind Upgrades in der Maintenance enthalten, dann kannst Du eine Menge Geld sparen. Ansonsten kann es Dir nach relativ kurzer Zeit passieren, dass Du für das Upgrade erneut tief in die Tasche greifen musst. Als Anwender bekommst Du in der Regel einen Rabatt. Frag bitte unbedingt auch nach, wie lange der Hersteller Dir Maintenance und Support auf eine Version der Software einräumt. Würdest Du einige Updates nicht durchführen, dann könnte es sein, dass Du komplett aus der Wartung fällst. Mindstens 2 Jahre, würde ich für angemessen halten.
Preis
Der Preis ist wahrscheinlich abhängig von dem dahinter stehenden SLA. Ein Anbieter wird Dir hier sicher mehrere Optionen zu unterschiedlichen Preisen anbieten. Lies Dir gut durch, was Du wirklich brauchst. Bedenke auch immer Reaktionszeit heißt nicht Lösung. Wichtig ist eine Regelung über mögliche Preiserhöhungen für die Serviceleistungen. Wenn möglich sollte auch eine Preisregelung für Releases, Updates bzw. Upgrades berücksichtigt werden.
Möchtest Du einen deutschsprachigen Support, dann solltest Du dies vereinbaren. Definiere am besten, was Du darunter verstehst. Reicht Dir Broken-German? Möchtest Du Telefongebühren für Gespräche bis ans andere Ende der Welt bezahlen?
Ich halte es für sehr wichtig zu definieren, was im Preis enthalten ist und auch explizit auszuweisen, was nicht. Hier gilt es, versteckte Zusatzkosten zu identifizieren und kenntlich zu machen.
Haftung/ Rücktritt/ Kündigung/ Datenschutz
Ich mache keine Rechtsberatung.
Ist man unsicher, was die Vertragsgestaltung betrifft sollte man immer eine Rechtsberatung einbeziehen. Bei Supportverträgen solltest Du genau auf die Laufzeit und die Kündigungsfristen achten. Vielfach besteht bei der Einführung einer neuen ERP-Software eine erhöhte Abhängigkeit von dem Tool.
Dienstleistungs-/ Consultingvertrag
Der Klassiker schlecht hin, Dienst- oder Werkvertrag? Egal was in der Überschrift steht, wichtig ist was tatsächlich umgesetzt werden soll. Ich möchte mich aber hier nicht bis ins Detail drüber auslassen. Gib einfach ‚Dienst- oder Werkvertrag‘ in die Suchmaschine ein und Du wirst schnell fündig.
Im Dienstleistungsvertrag finde ich wichtig, sollte eindeutig geklärt werden, wie das Projekt ablaufen soll und welche Ressourcen von den Vertragsparteien beizusteuern sind. Sofern möglich, sollten auch Projektbeginn und Ende formuliert werden. Klare Ziele führen zu besseren Ergebnissen.
Die vorstehende Grafik zeigt an, wo der Einsatz des Kunden erwartet wird (roter Bereich oben) und wo der Softwaredienstleister seine Aktivitäten sieht (blauer Bereich unten). Der gelbe Bereich in der Mitte ist die Zone, wo entschieden werden kann, wer das Heft in die Hand nehmen soll. Dies ist ein Beispiel und muss natürlich in jedem Projekt angepasst werden. Ist bereits ein RFP vorhanden und hat der Kunde die nötigen Kenntnisse und Ressourcen, so könnte z.B. die Analyse tendenziell stärker auf seinen Schultern lasten. Andernfalls würde der Softwaredienstleister einen Analysten bereit stellen.
Preis
Abgerechnet wird in Projekttagen oder -stunden. Die Sätze sind in der Regel abhängig von der Qualifikation der eingesetzten Ressource. Der Einfachheit halber wirst Du vielfach auch einen Durchschnittssatz vorfinden. Wer will die einzelnen Aufwendungen später schon noch aufbröseln. Zu unterscheiden ist auch zwischen Fixpreisen und gedeckelten Angeboten, wo ein Höchstbetrag auf keinen Fall überschritten werden darf.
Bei Durchschnittssätzen besteht die Gefahr, dass der Anbieter weniger qualifiziertes Personal einsetzt, um seine Marge zu erhöhen. In Projekten mit funktionsbezogener Vergütung hingegen wird er eher versuchen sein qualifiziertes Personal unterzubringen.
Hier hilft Dir in beiden Fällen nur wachsam zu sein und bei offensichtlichem Missbrauch direkt zu reklamieren.
Ein sehr wichtiges Thema sind natürlich auch die Spesen. Hier kann sich ein günstiges Angebot aus dem Ausland sehr schnell relativieren. Klare Regelungen vermeiden späteren Ärger. Du solltest aber auch sehen, es macht keinen Sinn den Anbieter hier mit Konditionen zu knebeln, die er schon alleine arbeitsrechtlich nie durchsetzen könnte.
Haftung/ Rücktritt/ Kündigung/ Datenschutz
Hier gilt das Gleiche, wie bei den anderen Verträgen angeführt. In Softwareprojekten arbeitet man mit Milestones, welche eindeutig definiert sein sollten, umso ein messbares Ergebnis zu erhalten. Durch das Aufsetzen einer projektgerechten Organisation sollen Schwierigkeiten bei der Umsetzung professionell gemanaged werden. Prüfe daher sorgfältig, was der Anbieter Dir hier vorschlägt.
Anhänge
Wichtig! Oftmals sind hier die wesentliche Vorgaben für das Projekt versteckt.
Hier noch ein kleiner Exkurs.
Ist der Kauf einer Software vergleichbar mit einem Auto- oder einem Hauskauf?
Im übertragenen Sinne kommt der Kauf einer Software-Suite nicht dem Autokauf, sondern eher dem Kauf einer Immobilie gleich. Vom Finanziellen her unterstreicht dies auch Volumen und Bedeutung der Anschaffung.
Du informierst Dich also am Immobilienmarkt und entscheidest Dich schließlich gegen ein individuell geplantes und für ein Haus von der Stange. Danach fährst Du zum Beispiel zu einem Gewerbe-/ Einkaufspark und guckst Dir einige Standardgrundrisse von Fertig- und von Massivhäusern an. Wie beim Softwarekauf bekommst Du in den Musterhäusern natürlich nur das Feinste vom Feinsten gezeigt. Du kannst also zwischen verschiedenen Ausbau- und Ausstattungsvarianten wählen und auch individuelle Wünsche sind bei ausreichend finanziellem Polster stets machbar.
Das Grundstück (IT-Umfeld) stellst Du selber oder kannst es unter Vermittlung eines Anbieters gerne auch pachten (Hosting).
Du wählst schlussendlich zwischen Kauf- und Mietkauf (Lizenz oder SaaS) die Immobilie in Variante X, Y oder Z. Für zusätzliches Ex- oder Interieur (Module und Anpassungen) schließt Du einen zusätzlichen Vertrag. Der Anbieter stellt Dir einen Bauleiter zur Verfügung (Projektmanager), der mit seinem Handwerkerteam (Analysten und Consultants) das Haus entsprechend Deiner Vorgaben vertragskonform errichten (Implementierung) soll. Du hast hier die Wahl, ob Du alleine den Baufortschritt und damit die Qualität des Gewerkes überwachen möchtest oder ob Du nicht besser einen eigenen Bauleiter/ Gutachter (Externer Berater, wie z.B. JoDeCon) damit beauftragen möchtest.
Zusätzlich bekommst Du noch einen Full-Service-Vertrag (Maintenance & Support) für die Infrastruktur (z.B. Heizungsanlage) und die laufende Inspektion rund um das Haus angeboten.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Hauskauf und Kauf einer Software-Suite ist die Garantie/ Gewährleistung. Beim Hauskauf ist diese üblicherweise viel länger. Die Komplexität des Werkes kann aber durchaus gleich sein. Du solltest also gut überlegen, welche Maßnahmen Du für die Qualitätssicherung vorsiehst.
Im nächsten Beitrag beschäftige ich mich mit der Initialisierungsphase des Projekts.
Ich habe diesen Beitrag am 29. August überarbeitet und ergänzt.